Fossile Brennstoffe, wachsende Städte, verschwundene Wälder – Mitschuld an den steigenden Konzentrationen von Treibhausgasen wie Kohlendioxid (CO₂) in der Atmosphäre sind menschliche Aktivitäten. Sie tragen zur Erderwärmung und damit zum Klimawandel bei. Dieser beeinflusst die Gesundheit der Ökosysteme und die Weltwirtschaft. Effektive Monitoring-Methoden, die Treibhausgasemissionen flächendeckend überwachen, können helfen, Strategien zur Eindämmung zu entwickeln.
Städtische Treibhausgasemissionen im Fokus
2019 haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Arbeitsgruppe von Jia Chen, Professorin für Umweltsensorik und Modellierung an der TUM, in München das vollautomatische Sensornetzwerk „Munich Urban Carbon Column network“ (MUCCnet) entwickelt. Gemessen wurden städtische Treibhausgasemissionen, basierend auf bodengestützter Fernerkundung der Atmosphäre. "Wir stellten einen Sensor in Windrichtung vor der Stadt auf und den zweiten hinter der Stadt", erläutert Jia Chen das Prinzip vereinfacht. „Alle Treibhausgase, die vom zweiten Sensor, nicht aber vom ersten gemessen wurden, müssen innerhalb der Stadt generiert worden sein.“ Um möglichst alle Windrichtungen abdecken zu können, gab es in jeder Himmelsrichtung einen Sensor.
Große Ungenauigkeiten bei Emissionszahlen
Mithilfe eines Computermodells für Hochleistungsrechner ergab sich aus diesen Daten zusammen mit meteorologischen Parametern eine räumlich aufgelöste Emissionskarte von München. „Laut dem Pariser Klimaschutzabkommen sind keine atmosphärischen Messungen nötig, um Emissionsvorgaben einzuhalten“, erklärt Jia Chen. „Stattdessen beruhen die Emissionszahlen, die wir in den Nachrichten hören, meist auf Emissionsinventaren und Hochrechnungen.“ Große Ungenauigkeiten sind dabei vorprogrammiert, da unbekannte Quellen nicht berücksichtigt werden. Mit dem MUCCnet hat das Team um Jia Chen es ermöglicht, die Emissionen hochpräzise zu messen.
Neue Studie zu CO₂-Emissionen indischer Kraftwerke
Ein weltweit flächendeckendes Netzwerk zur bodengestützten Messung fehlt. „Durch die jüngsten Fortschritte in satellitengestützten Fernerkundungsmessungen können wir allerdings Treibhausgasemissionen global verfolgen“, so Jia Chen. In einer aktuellen Studie bewertet die Professorin gemeinsam mit ihrem wissenschaftlichen Mitarbeiter Vigneshkumar Balamurugan mithilfe von hochauflösenden Daten des OCO-2-Satelliten CO₂-Emissionen von Kraftwerken in Indien über den Zeitraum von mehr als acht Jahren – von September 2014 bis Dezember 2022. Das Land gilt als drittgrößter CO₂-Produzent der Welt – Tendenz steigend. Kohle ist die wichtigste Energiequelle und macht fast 60 % des Gesamtverbrauchs an fossilen Brennstoffen in Indien aus. Dies zeigt, wie bedeutend eine Echtzeitüberwachung von CO₂-Emissionen in kohleverarbeitenden Sektoren ist.
Die Forschenden verglichen die satellitengestützten CO₂-Emissionsschätzungen der indischen Kraftwerke mit denjenigen Werten, die in der Carbon Brief (CB)-Datenbank hinterlegt sind. Dabei handelt es sich um eine öffentlich zugängliche Sammlung, die von Wissenschaftler:innen und Expert:innen in den Bereichen Klimawissenschaft, Politik und Energie auf der Basis von Berechnungen zur Verfügung gestellt wird.
Analyse deckt Schwächen auf
„Unsere Analyse ergab, dass die satellitengestützten Schätzungen trotz einiger Diskrepanzen im Allgemeinen nahe an den gemeldeten Werten lagen“, erläutert Jia Chen. Um fehlende oder unterschätzte Quellen zu identifizieren, überprüften die Forschenden ferner die beiden Open-Source-Datenbanken für CO₂-Emissionen EDGAR und ODIAC. Sie stellten fest, dass in beiden Inventaren drei Emissionsquellen fehlten. Außerdem identifizierten sie 17 Quellen, die EDGAR und ODIAC stark unterschätzt hatten. „Unsere Methoden sind im Vergleich zu anderen Ansätzen einfacher und weniger ressourcenintensiv“, resümiert Jia Chen. „Daher eignen sie sich für die Analyse großer Datenmengen über längere Zeiträume hinweg.“
Umfassendere Emissionskataster nötig
Das Auftauchen von unbekannten oder unterschätzten Quellen zeigt, dass umfassendere Emissionskataster notwendig sind. Diese helfen etwa Politikern Strategien zu entwickeln, damit Indien die internationalen Klimaverpflichtungen zur Emissionsreduzierung einhalten kann. Darüber hinaus können die Umstellung auf umweltfreundlichere Technologien und die Umsetzung von Strategien zur Emissionsreduzierung zu einer nachhaltigeren Energieerzeugung führen. Das kommt wiederum den sozioökonomischen Bedingungen sowie der Gesundheit der Ökosysteme und des Menschen unmittelbar zugute.